Kennt ihr das? Ihr macht endlich die eine Tour, die ihr schon so lange machen wollt. Dann kommt ihr von dieser Tour zurück und habt 100 neue Projekte im Kopf. So geht’s der Kiki und mir seit 6 Jahren, also seitdem wir im Team gemeinsam unterwegs sind. Und so ging es uns auf unserem Ausflug auf die Reiter Alm, dem Grenzgebiet zwischen Deutschland und Österreich. Vom Nationalpark Berchtesgaden rauf auf das Plateau der Reiter Alm mit Blick auf alles, was in der österreichischen Bergwelt Rand und Namen hat.
Bevor wir die Tour starten, nochmal kurz zurück zum eigentlichen Ausgangsproblem: Seit Jahren leben wir im Tennengau. Seit Jahren fahren wir regelmäßig ins Tiroler Unterland und in den Pinzgau, da wohnt unsere Familie. Und seit Jahren bewundern wir die Bergmassive rund um Schneitzlreuth. Das war für uns immer ein Ort zum Durchfahren, da staut’s auch ganz gern. Mit vielen Touren auf der idyllischen Reiter Alm haben wir über die Jahre geliebäugelt, aber irgendwie sind wir dann doch immer in die steinigen Massive im Pinzgau und Tirol weitergefahren. An diesem Tag sollte es nun endlich soweit sein.
Es sind die ersten herbstlichen Tage im September und wir packen zum 1. Mal nach dem Sommer wieder Stirnband, Handschuhe und ein kleines Handtuch in unseren Rucksack. Schlanke 7 Grad misst die Temperaturanzeige am Parkplatz „Schwarzbachwacht“, der liegt zwischen Schneitzlreuth / Unterjettenberg und Ramsau bei Berchtesgaden.
Nicht ganz so schlanke 9 Euro zahlen wir für’s Parken, an dem Tag sind wir das 3. Auto in der Reihe. Wüssten wir nicht, dass es rund um den Nationalpark Berchtesgaden immer teuer ist zu parken, würden wir uns wahrscheinlich einen Plan B überlegen. Als alte Nationalpark-Hasen unterstützen wir solche Projekte gerne mit den paar Euros. Unter uns: Für die Tour würden wir auch das Doppelte zahlen, aber dazu gleich mehr!
Am Parkplatz packen wir den Rucksack im frischen Morgentau noch fertig. Sicher ist sicher, wenn wir was Neues auf eigene Faust probieren. Aus diesem Grund trage ich den Non-stop dogwear Canix Hüftgurt für freie Hände während der Tour. Das Ruffwear Doubleback Ganzkörper Sicherheitsgeschirr ist für Kiki auf stand-by im Rucksack und wird rechtzeitig angelegt, falls es anspruchsvolle Stellen geben sollte. Laut Tourenbeschreibung soll die Tour auf den Großen Bruder eine schwarze Wanderung sein, also keine größere Herausforderung laut Streckenprofil, aber da haben wir uns schon oft verschätzt und die Schlüsselstellen sieht man meist erst, wenn man mitten drin hängt. Die vergessen die Autoren ganz gern in ihren Wanderbeschreibungen. 😅
Lässt das Wanderherz höher schlagen: Die Reiter Alm
Es ist der Tag, an dem wir wieder daran erinnert werden, warum wir das hier alles machen. Ein wahrer Liebesakt in 3 Sätzen, wenn man so will. So schön, wir versuchen das hier in Worte zu fassen.
Im 1. Akt finden wir uns im Wachterlsteig, der zu Beginn steil durch den angetauten Zirbenwald in der herbstlichen Morgensonne führt. Wir marschieren über makellose Holztreppen, denn die Kollegen vom Alpenverein bringen den Steig gerade wieder auf Vordermann. Danke, dass ihr da so fleißig dahinter seid’s, Burschen!
Im 2. Akt gehen wir eine Zeit lang durch den Übungsplatz der Gebirgsjäger, der in die Latschenfelder des Reiter Alm Plateaus bis zur Neuen Traunsteiner Hütte führt. Keinen einzigen Wanderer treffen wir am Weg 470 auf den gut 2 Stunden, die wir vom Parkplatz bis zur Hütte unterwegs sind.
Absichtlich gehen wir an solchen Tagen ohne Musik, ohne Handy(-empfang) und ohne Begleitung. Nur so haben wir Zeit für uns, zum Nachdenken und für mehr Achtsamkeit beim Wandern. Ohne abzuschweifen, aber probiert mal ohne externer Ablenkung (zumindest für eine Weile) euch auf euch selbst, auf die 4 Pfoten neben euch und auf die Umgebung zu konzentrieren. Uns holt das voll runter!
Die Neue Traunsteiner Hütte
Die Neue Traunsteiner Hütte (1570 m) hätte eigentlich ihren eigenen Akt verdient. Vor der Hütte parkt an dem Tag der Helikopter mit der letzten Ration an Speisen vor dem Einwintern vor der Hütte. Wild romantisch und ein bisschen verlassen wirkt die Hütte beinahe, nur der – wir glauben es war der – Hüttenhund begrüßt uns freundlich bereits aus der Ferne.
Für eine Mittagsrast ist es noch zu früh, wir gehen daher weiter und genießen noch ein wenig das traumhafte Hochplateau. Kiki stellt schon bald fest, dass das Hochplateau in fester Murmeltierhand ist. Unter den kleinen Holzhütten wohnen wohl einige Murmeltierfamilien, die uns lautstark begrüßen. Als manchmal mehr, manchmal weniger begnadete Jagdhündin spazieren wir komplett unbeeindruckt an den für den Winter schon leicht angefressenen Kollegen vorbei. Der Wegweiser Richtung 3. Akt des Tages ist jedoch bald da. Es geht nämlich auf den Großen Bruder, den haben wir schon von der Ferne gesehen.
Dieser 3. Akt auf einen der beiden Hausberge der Neuen Traunsteiner Hütte, hat uns einiges an Zeit gekostet. Nicht, weil der Aufstieg auf den Gipfel des Großen Bruders so fordernd ist. Vielmehr hat uns das Panorama jegliche Luft genommen. Wir sind aus dem Staunen nicht mehr rausgekommen, denn wohin das Auge reicht sehen wir Bergmassive in den kräftigsten Farben.
Nach einer knappen Stunde sieht man bereits den Gipfel des Großen Bruders, der dann nach ein paar Minuten Anstieg auch schnell erklommen ist.
Wow, was für ein Gipfelkreuz. Jeder, der mit uns mal auf einem Gipfel stand weiß, wir feiern Gipfelkreuze. Ist schon was besonderes, wenn man sich dann im Gipfelbuch eintragen, die aufwändigen Kreuzausführungen und das Panorama bewundern kann. In dem Fall ist es ganz besonders. Ein extravagantes Gipfelkreuz und ein beeindruckendes Panorama: Die Leoganger Steinberge und Steinernes Meer mit Ansätzen von den Gletscherspitzen der Großvenedigergruppe vor uns, die Berchtesgadener neben uns, die Reiter Alm hinter uns.
Kurzum: Wir haben selten einen so unkomplizierten und zu jeder Zeit so wunderschönen Anstieg auf einen Gipfel erlebt. Der Einkehrschwung in der Neuen Traunsteiner Hütte mit perfekter Hausmannskost ist da natürlich das Sahnehäubchen on top bevor man sich wieder zurück zum Parkplatz „Schwarzbachwacht“ macht. Wir wagen es kaum zu sagen, aber es war auch mal ganz fein eine Tour ohne Schlüsselstelle, Seile oder Leitern zu machen. Wirklich und von Herzen gemeint, falls ihr es bis jetzt noch nicht bemerkt habt: Die Tour ist der Wahnsinn!
Tatsächlich stand an dem Tag der andere Hausberg, der Große Weitschartenkopf (1979 m), auf unserem Plan. Aber uns gefiel der Große Bruder, wie der mit seinem Felsvorsprung rausragt, einfach besser.
Was besonders toll ist, ist in unseren Augen die Vielfalt der Reiter Alm. Wenn ihr z.B. mit weniger konditionsstarken Hunden unterwegs seid, könnt ihr auf der Neuen Traunsteiner Hütte übernachten und am nächsten Tag einen der unzähligen Gipfel rund um das Plateau der Reiter Alm machen. Die Sportskanonen unter den Fellnasen können das auch easy in einem Tag machen. Die Neue Traunsteiner Hütte kann auch ein Etappenziel einer mehrtägigen Wanderung sein. So könnte man z.B. am 2. Tag Richtung Hintersee wieder absteigen.
Oh, so viele Möglichkeiten! Wisst ihr jetzt, warum wir das hier machen? Bleibt gespannt, ihr werdet noch viel von uns hören und lesen.
Bussi & baba,
Eure Hundewanderin 🐾
Facts für 2- und 4-Beiner
Dem gibt’s nicht wirklich was hinzuzufügen, außer: Macht’s die Tour!
Zu viel Kitsch gibt’s nicht: Die Neue Traunsteiner Hütte und der Große Bruder (1.864 m) auf der Reiter Alm
Reiter Alm, Nationalpark Berchtesgaden, Bayern / Salzburgerland
🥾 19 km
⛰️ 1300 hm
🐾🐾🐾 hundefreundliche Bergtour, nur ausreichend konditionelle Fitness ist auf dieser dann doch recht langen Wanderung mitzubringen
🐮 zwischen Parkplatz und Nationalpark-Schild gibt’s einen kurzen Abschnitt mit Weidevieh, die aber eher im Wald als am Weg unterwegs sind. Als wir unterwegs waren haben wir außer Murmeltieren, kein Wild o.Ä. gesehen. Es soll aber viele Gämse geben und wir haben einige Jägerstände gesehen.
💦 es gibt offenbar eine Quelle hinter der Hütte, die haben wir aber nicht gefunden. Also nicht vergessen ausreichend Wasser für dich und deine Begleitung auf 4 Pfoten einzupacken. Auf der Neuen Traunsteiner Hütte sind sie aber sehr hundefreundlich und füllen euch auch den Napf auf.
👉 Parkplatz Schwarzbachwacht – Weg 470 über Wachterlsteig zum Übungsplatz der Gebirgsjäger – Neue Traunsteiner Hütte – Großer Bruder – wieder zurück zum Parkplatz Schwarzbachwacht